Wahrscheinlichkeitsdenken

Wägen wir zwischen zwei Alternativen ab, sagen wir zwischen Job A und Job B, dann wägen wir zwischen ihrem jeweiligen Vorrang ab. Jeder Job hat eine bestimmte Realisierungswahrscheinlichkeit, die sich während des Abwägens ändern kann, woraufhin sich sogleich die Wahrscheinlichkeit des anderen anpasst. Das heißt, wenn wir Job B vorziehen, wird Job A unwahrscheinlicher, bleibt aber im Hintergrund noch eine Weile verfügbar. Mit Job B wählen wir eine individuelle Wahrscheinlichkeits­hierarchie als solche zu unserer Realität.

Und die anderen Bewerber? Sie sind mitsamt ihren Entscheidungen ebenfalls Teil unserer Wahrscheinlichkeitshierarchie. Sie sind Aspekte unseres individuellen Gewahrseins, das sich insgesamt für eine neue individuelle Realität, eine neue Wahrscheinlichkeitshierarchie entscheidet. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die anderen Bewerber haben ihr eigenes Gewahrsein und wählen ihre eigenen Wahrscheinlichkeitshierarchien. Im jeweiligen Gewahrsein treffen wir uns alle, verschmelzen aber nicht.

Entscheiden wir uns nun durch und durch für Job B, wählen die anderen folglich in unserer Realität Job A oder C. Mehr oder weniger bewusst. Analoges gilt für die anderen in deren Realitäten. Es entsteht dabei kein Widerspruch, denn in jeder individuellen Realität, aus jeder Perspektive, ist es eine gemeinsame Wahl. Auch nachdem ich Job B bekommen habe, kann ich mir meiner alternativen Realitäten in Job A oder C gewahr sein, so dass die individuellen Realitäten durchaus ineinandergreifen, aufeinander wirken. Es mag deshalb nicht leicht sein, durch und durch mit sich ins Reine zu kommen. Ist das jedoch geschafft, folgt die entsprechende Realität unweigerlich.

Es gibt auch keine Perspektive, in der jeder durch und durch Job B wählt, denn in der Bewerbungssituation laufen bereits die individuellen Vorentscheidungen aller Bewerber (und vieler anderer) für bestimmte Arbeitsbedingungen zusammen: Nur einer kann den Job haben, nicht etwa jeder eine Stunde lang oder alle zugleich. Und so enthielte eine Alle-wollen-durch-und-durch-Job-B-Situation einen inneren Widerspruch, der von Anfang an zur Auflösung drängt: durch eine unterschiedliche Wahl der Bewerber. Möglichst "rechtzeitig", aber auch noch kurz vor Vertragsunterzeichnung. Beobachten Sie sich bitte in Ihren Bewerbungssituationen. Ich wette, Sie wissen im Grunde schon vorher, ob Sie den Job kriegen - und sind eigentlich (tief im Innern, überwiegend) einverstanden. Als notorische Zweifler spielen wir nur gern "über Bande" und lassen uns vom Personalchef bestätigen. Dennoch: Die endgültige Entscheidung aller Beteiligten mag, so sie es wollen, erst im letzten Moment fallen.

Stark vereinfacht weil anschaulicher können wir alle Individuen als "Kegel" ihrer wahrscheinlichen Veränderungen wahrnehmen: Wir bewegen uns alle zusammen wie Geister (oder auch Gespenster) in einem gewissen Abstand voneinander unter einem einzigen Gewebe von Wahrscheinlich­keiten, das sich unseren Formen und Bewegungen anpasst. Das Gewebe zeigt die "sichtbare" Verflechtung unserer Wahlmöglichkeiten und Entscheidungen und lässt darunter noch mehr Potential ahnen. Unsere Entscheidungen für die eine oder andere Bewegungsrichtung müssen wir mit denen aller anderen Geister wenigstens grob abstimmen, so dass wir das Gewebe nicht zu sehr verziehen oder uns darin verheddern. Die Prioritäten und damit die Wahrscheinlichkeits­gestalten passen sich einander an bis sie überwiegend harmonieren.

Die Wahrscheinlichkeit von Entwicklungen als fünfte Dimension neben Raum und Zeit lässt uns nicht nur schwarz-weiß sehen, sondern vielfältige Alternativen im Hintergrund anerkennen, die uns wellenartig umspielen. Das wiederum führt zu einer bewussteren Kooperation mit anderen und einem erweiterten Gewahrsein unserer Möglichkeiten.

Die nächsten Abbildungen zeigen Bertas "Wahlbeziehungen".
Abb 3: Während sich Berta von Job A auf Job B besinnt, der ihr besser entspricht, schichten sich ihre gewahrten Alternativen in der Wahrscheinlichkeits­hierar­chie um.

Abb 4: Bertas Gewahrsein befindet sich mit dem ihres Rivalen Alf in einem gemeinsamen Entscheidungs- und Abstimmungsprozess. Wenn sie Job B bevorzugt, muss er Job A wählen. Dabei sind sich beide ihrer alternativen Existenzen im jeweils anderen Job gewahr und auch des alternativen Rivalen. Sie bilden ihre jeweils eigene wie auch eine kollektive Wahr­scheinlich­keits­hierarchie, die sich zusammen vom Bewussten bis zum Unterbewussten für eine vorrangige neue Gesamtstruktur entscheiden - zum Beispiel diejenige, in der Berta Job B hat und Alf Job A. Die alternative Gesamtstruktur fällt ebenso nach unten wie Bertas "einzelne" Alternativen in Abb. 3.


Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem theoretischen Teil meines Buches
Wahrhaftigkeit. Mit welchem Bewusstsein wir Realität erschaffen